Präzise Zuführung von Zutaten

Modulares Baukastensystem für individuelle Schüttgüter

Exaktes Wiegen und Dosieren sind entscheidende Schritte bei der Herstellung vieler Lebensmittel. Zu einer wirtschaftlichen Produktionsanlage gehört ein zuverlässiges und auf die Gegebenheiten angepasstes Zuführsystem. Schüttgüter schnell, schonend und staubfrei zu verarbeiten, erfordert geeignete Anlagenkonzepte – mit allem nötigen Zubehör, Automatisierung und Rezeptsteuerung.

Das in Übach-Palenberg ansässige Familienunternehmen Derichs projektiert, baut und automatisiert seit 1818 Maschinen und Anlagen für die Schüttgutverarbeitung. Die Leistungen umfassen verschiedene Bereiche der mechanischen Verfahrenstechnik: Fördern, Mahlen, Trennen, Dosieren, Mischen und Lagern.

Bei der Förderung stehen wahlweise ein mechanisches Fördersystem oder eine pneumatische Saug/Druck-Förderung im Dünnstrom, Dichtstrom oder als Pfropfenförderung zur Verfügung. Im Bereich der Dosierung bietet der Anlagenbauer Schleusen, Klappen, Bandwaagen oder Dosiergeräte an. Letztere sind modular aufgebaut und können, in unterschiedlichen Baugrößen und mit verschiedenen Schneckentypen ausgestattet, jederzeit an individuelle Aufgabenstellungen angepasst werden. Je nach Anwendungsfall werden die Dosiergeräte mit Wägezellen ausgerüstet, um als Batch- oder Konti-Lösung zu fungieren. Grundsätzlich sollte beachtet werden, dass bei der Auswahl beziehungsweise Planung des passenden Zuführsystems räumliche Gegebenheiten und Leistungsspezifikationen maßgeblich sind. Nur mit einem entsprechenden Zuführsystem kann eine hohe Effizienz erreicht werden.

Die große Vielfalt an Lebensmittelprodukten und deren verschiedenen Produktionsanforderungen erfordert bei der Auswahl eines Zuführsystems häufig eine umfassende Beratung durch Fachleute. In den vergangenen Jahren hat Derichs hier umfassende Erfahrungen gesammelt. 2018 wurde beispielsweise eine Produktionsanlage für Permeat- und Laktosepulver in Betrieb genommen. Und auch aktuell arbeitet das Unternehmen an einem großen Projekt im Lebensmittelbereich.

Steigende Hygieneanforderungen

Bei automatischen Zuführsystemen für den Lebensmittelbereich ist es wichtig, dass diese die stetig steigenden Hygieneanforderungen sinnvoll unterstützen. Bei der Planung und Konzipierung der Anlagen ist auf die Einhaltung der entsprechenden Richtlinien und Regeln zu achten. Dies umfasst die Werkstoffauswahl der einzelnen Komponenten ebenso wie die erforderliche Oberflächenbeschaffenheit und die speziellen Reinigungsvoraussetzungen.

Zudem gibt es Betriebe, die besonders sensibel bezüglich der automatischen Zutatenzuführung sind. In diesem Zusammenhang stellen Produkte aus den Bereichen Bio, Allergene, Vegan, Koscher oder Halal besondere Ansprüche an ein passendes Zuführsystem. Auch eine Chargenrückverfolgung ist bei solchen Herstellern unabdingbar.

Die jüngsten Entwicklungen im Dosierbereich wurden in der permanenten Verbesserung des soliden Maschinenbaus mit hygiene- und atexkonformen Lagern und Dichtungen gemacht. Das Unternehmen bietet eine bewährte Verwiegung mit praxistauglichen Wiegezellen, geeigneten Lasteinteilungen und wägetechnischer Entkopplung an. Die Wiegeelektronik aus dem aktuellen Lieferprogramm ist von Siemens und mit einer zeitgemäßen Programmierung (TIA-Portal) modular aufgebaut.

Maßgefertigte Lösungen

Bezüglich der Realisierung kompletter Schüttgutanlagen bietet Derichs heute intelligente, maßgefertigte Lösungen. Das Leistungsspektrum reicht dabei von der Lieferung eigener Komponenten zum Dosieren, Fördern, Lagern, Mahlen, Mischen oder Trennen bis hin zum Turnkey-Anlagenbau. Typische Beispiele sind Siloanlagen, Zuführsysteme, rezeptgesteuerte Mischanlagen oder Dosier- und Befüllanlagen. Realisiert werden speziell auf den Kunden zugeschnittene Anlagen mit hochwertigen, innovativen und zuverlässigen Konzepten. Der mittelständische Anlagenbauer entwickelt gemeinsam mit dem Kunden eine passgenaue Lösung. Anschließend werden die geeigneten Komponenten ausgewählt und in das Gesamtkonzept integriert. Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe der beste Weg zu einer neuen Anlage ist. Als weitere Leistung wird die Möglichkeit geboten, Produktionsprozess und -verfahren als Versuche im hauseigenen Technikum durchzuführen.

Wie bereits erwähnt, hat die Lebensmittelindustrie hohe Hygieneansprüche, was vom Anlagenbau unbedingt zu berücksichtigen ist. In sensiblen, hygienekritischen Produktionsbereichen stellt die Vermeidung von Kontaminationen des Endprodukts eine zentrale Anforderung dar. Verschmutzungen dürfen sich in den verwendeten Systemen nicht festsetzen oder länger verbleiben. Eine leichte Reinigung muss es möglich machen, diese schnell und unkompliziert zu entfernen. Zur Vermeidung solcher Kontaminationen, gelten strenge Vorschriften für die Hygiene in der Lebensmittelindustrie. Bei Derichs spielt das Hygienic Design eine herausragende Rolle mit dem Anspruch, moderne Maschinen und Anlagen für die Lebensmittelindustrie zu produzieren. Die Produktsicherheit bei der Verarbeitung von Lebensmitteln wird als zentraler Faktor gesehen. Dafür hat sich das Unternehmen selbst verpflichtet, die Richtlinien der European Hygienic Engineering und Design Group (EHEDG) als Standard für einen Großteil seiner Komponenten umzusetzen.

Was die Automatisierung angeht, kommen ausschließlich Siemens-Produkte (Step7, TIA, Win CC) zum Einsatz. Mit dieser Basis können die Anlagenbauer fast jede Aufgabe lösen. Das Bestreben dabei ist es, mit einfachen Mitteln praxistaugliche Lösungen zu realisieren, um die Kosten niedrig zu halten sowie den Betrieb und eine spätere Erweiterung einfach zu gestalten. Daten lassen sich mit übergeordneten Systemen austauschen. So kann beispielsweise eine Rezeptur von einem ERP-System übernommen und nach der Produktion als Chargenprotokoll zurückgemeldet werden. Auch ein Barcodescanner zum Einlesen der Chargennummer lässt sich einbinden. Mehrere Waagen beziehungsweise Handverwiegeplätze sind problemlos in eine Rezeptsteuerung integrierbar. Bei jedem Transportvorgang können Trackingdaten bereitgestellt werden.

Parallel zum Programmieren wird im Automatisierungsprozess ein digitaler Zwilling der neuen Anlage generiert. Mit der Simulation ist es möglich, die gesamte Steuerung im Vorfeld der Inbetriebnahme zu überprüfen und alle Abläufe, die Bedienung sowie die Reaktion auf Störungen auszuprobieren. Die erstellten Programme werden mit einer externen Simulationsumgebung getestet. Im Anlagenprogramm befindet sich keinerlei überflüssiger Simulationscode, der später vielleicht zu Problemen führen kann.

In den letzten Jahren ist in vielen Bereichen des Anlagenbaus eine steigende Produktkomplexität und Variantenvielfalt zu beobachten. Und auch der Wandel der Märkte führt zu differenzierten Kundenansprüchen und immer spezifischeren Produkten und Lösungen. Vor diesem Hintergrund beginnen viele Unternehmen der Branche, ihre einzelnen Produkte oder Komponenten in Modulbaukästen zu strukturieren. Die Möglichkeiten, durch diese Modularisierungsstrategien Kosten und Aufwand zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit auszubauen, sind bemerkenswert. Günstigere Herstellkosten, kürzere Lieferzeiten oder die steigende Flexibilität sind nur einige der Vorteile.

Kundenwünsche mit Einzellösungen zu erfüllen, stand lange im Fokus vieler Anlagenbauer. Heute liegt der Schwerpunkt auf intelligenten und modularen Systemen, die einen anwendungsspezifischen Anlagenbau gestatten und durch ihre Flexibilität und Lernfähigkeit eine Anzahl beliebiger Komponenten zu einer betriebssicheren Anlage kombinieren – ohne den Kundennutzen zu reduzieren. Möglich wird dies durch einen modular aufgebauten Anlagenbaukasten.

Zukunftsorientiertes System

Im Laufe der Jahre hat auch Derichs ein Baukastensystem entwickelt, das konsequent objektorientiert und modular aufgebaut ist und die Anforderungen an ein intelligentes und zukunftsorientiertes Baukastensystem erfüllt. Das Unternehmen definiert eine Komponente nicht nur mechanisch, sondern auch elektro- und verfahrenstechnisch. Die verschiedenen Informationen fügen sich so in allen Anlagenbauschritten zu einem stimmigen Gesamtergebnis zusammen. Eine definierte Struktur vereinfacht die Planung. Bereits beim Entwurf eines Fließbildes sind sämtliche Teile der Anlage eindeutig bezeichnet.

Das macht deutlich, was sich wo befindet. Für eine komplette Anlage ergibt sich aus dieser Struktur ein Aufbau aus Teilanlagen, Baugruppen und Komponenten.

Teilanlagen ermöglichen es, komplexere Abläufe zu realisieren. Dafür werden mehrere Baugruppen zu einem System kombiniert. Dies können Produktquellen oder -ziele, Mischanlagen oder Förderungen sein, die sich miteinander verschalten und einzeln starten sowie stoppen lassen. Diese Module kommunizieren miteinander und mit angrenzenden Anlagenteilen über definierte Schnittstellen.

Baugruppen bestehen aus einer oder mehreren Komponenten und einer definierten Funktionalität. Bewährte Kombinationen lassen sich wiederholen oder mit geringfügigen Anpassungen adaptieren. Dies kann zum Beispiel ein Dosiergerät mit Ein- und Auslaufklappe, Verwiegung und drehzahlgeregelter Schnecke sein.

Komponenten bilden die kleinste unveränderbare Einheit. Die Haupteigenschaften einer Komponente sind festgeschrieben und dokumentiert. Bedarf es einer Variante, die sich in maßgeblichen Bereichen unterscheidet – etwa in der Stückliste oder im Funktionsablauf – so ist eine neue Komponente anzulegen. Derzeit sind rund 500 Komponenten definiert, die als Varianten aus etwa 20 Basiskomponenten hervorgingen. Die Basiskomponente Absperrorgan gibt es beispielsweise in verschiedenen Variationen: Klappe, Kugelhahn, Schieber et cetera – per Hand, pneumatisch oder motorisch betätigt, mit oder ohne Rückmeldung sowie in verschiedenen Atex-Ausführungen.

Die Lebensmittelindustrie benötigt effiziente Prozesse, um Anlagen in kurzer Zeit in Betrieb nehmen zu können. Dennoch steigt in den letzten Jahren in vielen Bereichen des Anlagenbaus die Produktkomplexität und Variantenvielfalt. Zum Tragen kommen die Vorteile eines modularen Konzepts bei der weiteren Bearbeitung. Teilanlagen, Baugruppen und Komponenten finden sich in allen Systemen wieder: im Fließbild als Symbol, im Stromlaufplan, im ERP-System als Stückliste, in der Anlagensteuerung als Programm- und Datenbaustein, in der Anlagenvisualisierung als Grafik, in der Anlagensimulation als Simulationsmakro, im Störmeldesystem und in der Dokumentation als Bedienungsanleitung. Erfahrungen und Verbesserungen werden in einem lernenden System auf die Objekte übertragen und sorgen so für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

Autor: Hanno Derichs und Martin Röger, (beide Derichs), Wolf-Dieter Stechmann (Lebensmitteltechnik)

Erschienen in: Lebensmitteltechnik 4/2019, LT Food Medien-Verlag GmbH

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